Andacht

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.

Es ist schon viele Jahre her, dass ich dieses Lied im Musikunterricht singen musste. Damals wusste ich noch nicht, worum Gedanken so alles kreisen können. An manchen Tagen kreisen sie um schöne und hoffnungsvolle Dinge und an anderen um viel Schweres. Da stehen Sorgen und Ängste im Vordergrund. In aller Freiheit? Ich glaube, so geht es auch Jeremia im Buch der Klagelieder. Jeremias Gedanken ziehen auch Kreise. Ihn beschäftigt es sehr, welches Leid dem Volk Israel mit dem Verlust der Heimat und der Zerstörung Jerusalems widerfahren ist. Jeremia

klagt. Das Buch hat seinen Namen nicht umsonst. Jeremia spricht alles vor Gott aus, was ihn beschäftigt. Dabei geschieht etwas wirklich Faszinierendes. Die Klage verwandelt sich. Noch während Jeremia Gedanken um Sorge und Klage kreisen, ändern sie auf einmal ihre Umlaufbahn und sprechen von großen und hoffnungsvollen Begriffen wie Barmherzigkeit und Treue, die jeden Morgen neu ist. Gott sei Dank!

Ich glaube, dass auch unsere Gedanken oft um das Negative kreisen und wir uns von Ängsten leiten lassen.

Es ist doch auch viel leichter, darauf zu schauen, was schlecht läuft und nicht klappt, als hoffnungsvoll aufzustehen, etwas zu wagen und neu zu beginnen. Doch ein zu starker Fokus auf das Negative verzerrt den Blick für die Realität. Dann ist heute alles schlecht und früher war alles besser. Wo bleibt da die Barmherzigkeit im hier und jetzt? Wo die Hoffnung auf Gottes Treue? Es liegt an jedem selbst, worauf sie ihre Gedanken richten möchten: auf Klage oder auf Dank? Die Gedanken sind frei.

Wie komme ich aus sorgenvollen Gedankenkreisen heraus, um meinen Blick auf das Gute zu wenden? Vielleicht in dem ich ein Dankbarkeits-Tagebuch führe. Oder gute Musik auflege, singe und tanze. Oder indem ich bete und mich jeden Morgen besinne: Deine Treue, Gott, ist groß.

Pfarrerin Nina-Maria Mixtacki

Nina-Maria Mixtacki arbeitet als Pfarrerin u. a. in Mittweida. Ab 2025 sind unsere derzeitigen Schwesternkirchgemeinden mit der Kirchgemeinde Mittweida in einem neuen Schwesternkirchenbund verbunden.